Der Kampf ist noch nicht zu Ende (Teil 2)
Floskeln wie Auslagerung
Es gibt Mittel und Wege ...
Informationsrechte und -pflichten
Drei Grundregeln für Betriebsräte
Zehn Jahre lang die Schließung verhindert
Rainer Einenkel: Wir bekamen natürlich Solidaritätsadressen von anderen Standorten, zum Beispiel von unseren Kolleginnen und Kollegen in Eisenach. Besonders haben wir uns über
die Bekundungen echter Solidarität von Werken auf Seiten der Mitbewerber und vieler tausender Menschen und Organisationen aus dem In- und Ausland gefreut. Dafür auch an dieser Stelle unseren
herzlich Dank!
getfax: Angefangen haben Sie 1972 bei Opel in der Ausbildung zum Elektriker, es folgten Mitarbeitervertretung als Jugendvertreter, 1987 Wahl in den Betriebsrat, wie bei Opel
grundsätzlich üblich mit Freistellung, 2004 Wahl zum Vorsitzenden. Ende dieses Jahres nun endet Ihre Mitarbeit bei Opel und damit als Betriebsrat. Haben Sie schon Pläne für die Zeit
danach?
Rainer Einenkel: Als Vorsitzender des Betriebsrates bin ich ja Mitglied in fünf weiteren Betriebsräten in Unternehmenstöchtern und Partnerfirmen von Opel.
Aber Sie haben schon Recht: als Betriebsrat von Opel in Bochum endet meine Tätigkeit mit Jahresende. Ich werde mit Übergangstätigkeiten voraussichtlich bis ins kommende Frühjahr beschäftigt sein,
dann ist für mich hier Schluss. Über meine weitere Beschäftigung bis zum Rentenalter habe ich noch nicht entschieden.
getfax: Was können Sie Betriebsräten anderer Firmen, anderer Branchen auf den Weg geben, wie man mit widerspenstigen Arbeitgebern umgeht?
Rainer Einenkel: Ratschläge erteile ich ungern. Und – falls Sie darauf hinaus wollen: ich werde auch als Rentner keine Memoiren schreiben. Wen soll das schon interessieren, was
ich erlebt habe? Jeder macht seine eigenen Erfahrungen.
Ich kann aber sagen, dass wir in den zehn Jahren meines Betriebsratsvorsitzes zwar immer wieder mit Schließungsplänen des Managements konfrontiert waren. Das wird dann oft auch mit den üblichen
Floskeln wie Auslagerung oder Besinnung auf das Kerngeschäft ummäntelt. Egal wie, wir haben sie immer wieder erfolgreich bekämpfen können.
getfax: Was war Ihr Geheimrezept?
Rainer Einenkel: Naja, Geheimrezept … es gibt ganz legale Mittel und Wege, wie man der Arbeitgeberseite seinen Willen deutlich machen kann. Wie sagte doch Martin Luther in
abgewandelter Form: Hier stehe ich, ich kann auch anders.
getfax: Wie zum Beispiel?
Rainer Einenkel: Zum Beispiel sieht das Betriebsverfassungsgesetz Informationspflichten und Informationsrechte vor. Dieses verbriefte Recht haben wir oft sehr kreativ genutzt,
manchmal stundenweise und einmal sogar eine ganze Woche. Mit dieser Rückendeckung konnten wir oft erfolgreich in den Verhandlungen gute Vereinbarungen erzielen, zum Beispiel rund 1500 vom
Arbeitsplatzverlust bedrohte Beschäftigte über Partnerverträge zu Opel-Bedingungen in Arbeit zu halten.
getfax: Wie sind Sie mit Kritik aus den eigenen Reihen umgegangen?
Rainer Einenkel: Als Betriebsratsvorsitzender steht man oft vor unpopulären und schwierigen Entscheidungen. Da kann und darf man nicht weglaufen. In einem Betrieb mit tausenden
Beschäftigten wird sehr oft mit Leidenschaft – und Bochum ist dafür besonders bekannt – über den richtigen Weg gestritten. Das muss man aushalten können.
Grundsätzlich habe ich drei Grundregeln in meiner Betriebsratsarbeit befolgt:
- Keine Gewerkschaftsausschlüsse, d.h. abweichende Meinungen, egal wie unsachlich und heftig vorgetragen, durften nie zu einem Ausschluss aus der Gewerkschaft führen;
- Offene Tür: wann immer eine Kollegin oder ein Kollege Rat und Hilfe bei mir suchte, fand er bei mir eine offene Tür. Die wurde nur geschlossen, wenn jemand dies ausdrücklich wünschte;
- Bessere Vorschläge, sofortige Umsetzung: wer bessere Vorschläge zu machen hat, soll sie vorbringen und er bekommt den Auftrag, sie dann möglichst schnell auch umzusetzen.
Das alles hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass die von mir angeführte Liste bei den Betriebsratswahlen immer stärker wurde und wir mit 85 Prozent IG Metall-Mitglieder der mitgliederstärkste
Betrieb bei Opel sind.
getfax: Wäre das Schicksal für das Werk Bochum noch abwendbar gewesen?
Rainer Einenkel: Eine Werksschließung ist die brutalste und dümmste Lösung. Die Arbeitnehmerseite hat in der Vergangenheit viele Vorschläge gemacht, Standorte abzusichern, neue
Märkte zu erschließen bzw. eine klügere Modellpolitik zu machen. Es gab also immer Alternativen zur Schließung.
getfax: Sie persönlich haben sich in vielen Jahren an vorderster Front für Ihre Kolleginnen und Kollegen aufgeopfert – letztlich alles umsonst?
Rainer Einenkel: Gemeinsam mit der Belegschaft und durch viele kreative, oft schmerzhafte Vereinbarungen konnten wir zehn Jahre die Schließung verhindern. Es war also nicht umsonst. Die Schließung konnten wir jetzt nicht mehr verhindern, aber die Sozialplankosten werden GM/Opel mit über 630 Millionen Euros belasten. Es wird die teuerste Werksschließung für GM in Europa.
getfax: Herr Einenkel, wir danken für das Gespräch.