Konstantes Einvernehmen mit dem Unternehmer – geht das? (Teil 3)

... vor dem Trigema-Hauptgebäude in Burladingen.

Statussymbol für konstanten Unternehmenserfolg seit 45 Jahren: Grupp-Privathubschrauber.

getfax: Wie hoch ist der Anteil der Personalkosten bei Ihren Produkten?

 

Wolfgang Grupp: Wir haben 52 Prozent Lohnanteil, aber eine Wertschöpfung von 78 Prozent. Das heißt, wenn wir ein Million umsetzen, wird nur für 220.000 Euro eingekauft: Garn, Faden, Chemikalien, Strom usw.. Somit erarbeiten wir mit der Hände Arbeit und Maschinen eine Wertschöpfung von 780.000 Euro.

 

Die Wertschöpfung beginnt beim Herstellen der Stoffe über die Ausrüstung (Färberei/Bleicherei), die Veredlung (Druckerei/Stickerei) bis hin zur Zuschneiderei und Konfektion. Das alles macht uns autark und entsprechend flexibel. Somit können wir auf alle Eventualitäten des Marktes reagieren und damit auch die Arbeitsplätze halten bzw. garantieren.

 

getfax: Wie können Sie die Arbeitsplätze künftig garantieren gegen Billigkonkurrenz aus dem Ausland?

 

Wolfgang Grupp: Wir müssen uns klar darüber sein: in der Produktion von Masse ist uns China überlegen. Dort findet aber auch keine Wertschöpfung in einem dem unseren Niveau vergleichbaren Umfang statt. Deswegen ist die Arbeitskraft dort so billig und bei uns eben teurer.

 

getfax: Da ist auch das Billiglohnausland keine Konkurrenz für Sie?

 

Wolfgang Grupp: Wir haben in unserem Heimatland Deutschland sicher einige Nachteile, aber vor allem viele Vorteile. Ich nutze diese Vorteile und nehme die wenigen Nachteile in Kauf.

 

Wenn ich eine Anfrage über einen Auftrag von mehreren tausend Shirts bekomme, dann verweisen wir zuerst auf die billige Konkurrenz aus dem Ausland.

 

Wenn aber ein Kunde zu mir kommt und Qualität und Flexibilität und dann eine große Stückzahl innerhalb von 24 Stunden geliefert haben will oder aber garantiert höchste Qualität, dann ist das ein Auftrag für uns bzw. unsere Mitarbeiter.

 

Wir geben stets Aufträge, mit denen wir gestern noch Geld verdient haben, rechtzeitig ab, wenn wir merken, dass unsere Kollegen im Billiglohnland diese Produkte zwischenzeitlich billiger fertigen. Wir folgen dabei nicht dem Prinzip immer mehr Wachstum um jeden Preis. Wachstum heißt bei uns, dass die Innovation des Produktes wächst und nicht die Stückzahl.

 

Wir haben keine Aufträge für morgen und fertigen konstant mit voller Auslastung auf Lager, dies ist unser Risiko, für das ich auch persönlich hafte.
Meine Aufgabe als Unternehmer in Deutschland ist es, Innovation zu erkennen und diese umzusetzen.

 

getfax: Wo kaufen Sie den Rohstoff Baumwolle ein?

 

Wolfgang Grupp: Die Baumwolle kommt natürlich nicht aus Deutschland, da diese hier gar nicht wächst. Wir kaufen bei den Spinnereien das Garn und die Spinnereien kaufen die Baumwolle. Aber für uns nur die besten Qualitäten.

 

getfax: Wo sitzt der Spinner: in Deutschland?

 

Wolfgang Grupp: Ja, in Deutschland aber ebenso in Griechenland oder Italien – wir haben mehrere Spinnereien, die an uns liefern.

 

getfax: Inwiefern berührt es Sie, wenn in Bangladesch eine Textilfabrik einstürzt?

 

Wolfgang Grupp: Wenn Firmen im billigen Ausland produzieren lassen, ist das vollkommen in Ordnung, wenn sie für diese Produktion auch die Verantwortung übernehmen!

 

Nur: nicht die Verbraucher, sondern die, die im Ausland produzieren lassen, tragen die Verantwortung. Es kann nicht sein, dass Unternehmer in ihrer Gier nach immer mehr, die Preise so drücken, dass die Arbeiter im Ausland ihre Gesundheit einbüßen oder körperlichen Schaden erleiden.

 

Mein Einkaufsleiter muss wissen, dass auch unsere Lieferanten bei uns Geld verdienen müssen. Denn wenn sie kein Geld verdienen, werden sie anfangen auf Dauer die Qualität zu senken, oder aber sonst versuchen, Vereinbarungen nicht einzuhalten. Sie werden auf Dauer an unseren Aufträgen nicht konstant Geld verlieren. Dies muss man wissen. Deshalb sind unsere Lieferanten Partner, die mit uns verantwortlich sind für unsere Qualität und Flexibilität. Deshalb haben wir auch fast keinen Wechsel bei unseren Lieferanten, die meisten beliefern uns schon seit Jahren.

 

Ich halte es für falsch, Verantwortung dem Verbraucher zuzuschieben und ihm vorzuschreiben, dass er das, was er kauft, zunächst prüfen sollte. Der Verbraucher muss in die ihm angebotenen Waren ein Vertrauen haben können, das ist ihm der Anbieter schuldig.

 

getfax: Würden Sie sagen, dass der Markt so, wie er ist, in Ordnung ist?

 

Wolfgang Grupp: Leider Nein. Wir haben schon lange keine Marktwirtschaft, geschweige denn eine soziale Marktwirtschaft. Jeder kann seiner Gier bzw. seinem Größenwahn freien Lauf lassen. Geht es gut, wird kassiert, geht es schlecht, wird Insolvenz gemacht und der Steuerzahler muss die Rechnungen bezahlen! Wir brauchen endlich wieder ein Zurück zu Haftung und Verantwortung der Entscheidungsträger. Hätten wir das in der Vergangenheit gehabt, wäre es wahrscheinlich zu vielen Desastern nicht gekommen!

 

getfax: Sehen Sie eine Chance, dass das gebessert werden könnte?

 

Wolfgang Grupp: Ja. Die Politik muss die Haftung und Verantwortung wieder in den Fokus stellen. Deshalb habe ich schon lange vorgeschlagen, die Einkommenssteuer rauf auf z.B. 60 Prozent und denen, die die persönliche Verantwortung und Haftung für ihre Entscheidungen übernehmen, 50 Prozent Steuerrabatt. Dann trennt sich die Spreu vom Weizen und wir wissen genau, wen wir vor uns haben.

 

Das Wirtschaftswunder nach dem Krieg war nur möglich, weil alle Unternehmer persönlich gehaftet haben.

 

Auch sie hatten einen Vorwärtsdrang, wussten aber, dass, wenn sie sich zu weit vorwagten, sie als erste in der Haftung waren.

getfax: Herr Grupp, wir danken für das Gespräch.