Tarifeinheitsgesetz
Offener Brief KBR Rhön-Klinikum AG an Bundesarbeitsminister Nahles
Berichterstattung hierzu siehe TREFFPUNKT BETRIEBSRAT.
RHÖN-KLINIKUM
AKTIENGESELLSCHAFT
Konzernbetriebsrat
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Bundesministerin
Andrea Nahles
Wilhelmstraße 49
10117 Berlin
25.02.2015
BB/cf
Offener Brief zum Tarifeinheitsgesetz
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Nahles,
der Konzernbetriebsrat der RHÖN-KLINIKUM AG vertritt ca. 16.000 Beschäftigte. Der Konzern betreibt zehn Kliniken an fünf
Standorten mit insgesamt 5.300 Betten. Zu den Einrichtungen gehören: Zentralklinik Bad Berka, Kliniken Bad Neustadt a. d. Saale, Klinikum Frankfurt (Oder) und die Universitätskliniken Gießen und
Marburg. Die RHÖN-KLINIKUM AG ist damit einer der größten Gesundheitsdienstleister in Deutschland.
Der Konzernbetriebsrat der RHÖN-KLINIKUM AG stellt sich gegen das Vorhaben der Bundesregierung, ein Gesetz zur sogenannten
Tarifeinheit zu verabschieden. Dieses Gesetz ist nicht nur unnötig, sondern wird Konflikte innerhalb von Belegschaften zahlreicher Betriebe schüren, die es ohne dieses Gesetz nicht geben würde.
Vor allem aber stellt das vorgesehene Gesetz einen inakzeptablen Eingriff in das verfassungsmäßig geschützte Recht der Koalitionsfreiheit und das hieraus resultierende Streikrecht dar. Ein
verfassungswidriges Gesetz, das in massiver Art und Weise Arbeitnehmerrechte beschneidet kann keine Zustimmung innerhalb der Arbeitnehmervertretungen der RHÖN-KLINIKUM AG finden.
Der Konzernbetriebsrat fordert die Bundesregierung auf, von einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit abzusehen!
Der Gesetzesentwurf soll zum Ziel haben, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch die Auflösung von Tarifkollisionen zu
sichern, um den Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken. Der Koalitions- und Tarifpluralismus ist jedoch bereits geordnet. Auch bei der RHÖN-KLINIKUM AG und der mit ihr
verbundenen Gesellschaften arbeiten tagtäglich Kolleginnen und Kollegen kollegial zusammen, die in unterschiedlichen Gewerkschaften - oder auch gar nicht gewerkschaftlich organisiert sind. Das
Interesse, eine möglichst geschlossene Interessenvertretung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten steht im Mittelpunkt der Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit findet
gewerkschaftsübergreifend statt. Durch den aktuellen Gesetzesentwurf gingen jedoch zahlreiche den Betriebsfrieden und den Flächentarif stärkende Absprachen verloren. Denn ersetzt würden sie in
vielen Betrieben durch eine Verschärfung der Konkurrenz zwischen verschiedenen Gewerkschaften auf Betriebsebene.
Wenn - wie vorgesehen - nur noch die Tarifverträge der als mitgliederstärksten Gruppierung ermittelten Gewerkschaft in jedem
einzelnen Betrieb gelten, würden viele freiwillige Kooperationen von Gewerkschaften bedroht, weil die Notwendigkeit zur Absprache entfiele. Das würde selbst vor der jetzt gut funktionierenden
Zusammenarbeit bei engen Kooperationen auf Betriebsebene nicht Halt machen.
Vor allem aber stellen die vorgesehenen Regelungen des Gesetzesentwurfs einen beispiellosen und in seiner Qualität schwerwiegenden
Eingriff in den Schutzbereich der Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz dar. Ohne eigenen Tarifvertrag unterliegen die jeweils kleineren Gewerkschaften der Friedenspflicht aus
dem Mehrheitstarifvertrag. Ein Arbeitskampf darf sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts immer nur auf die Durchsetzung eines tariflich regelbaren Ziels richten, also den
Abschluss eines Tarifvertrages. Da dies aber hiernach gar nicht mehr möglich wäre, kommt das Gesetz einem Streikverbot gleich, auch wenn dies nicht explizit im Gesetzesentwurf geregelt ist. Mit
diesem Streikverbot wird in elementare Rechte der Arbeitnehmer eingegriffen, wie sie in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes verankert sind. Für einen solchen Eingriff in die Koalitionsfreiheit
gibt es keine erkennbare Rechtfertigung. Es kommt einem offenen Verfassungsbruch gleich, wenn der Staat bestimmten Arbeitnehmergruppen das Recht verwehrt, unabhängig und eigenständig
tarifpolitisch tätig zu sein. Dies ist für den Konzernbetriebsrat der RHÖN-KLINIKUM AG absolut inakzeptabel!
Zudem weisen nahezu alle zu diesem Thema veröffentlichten juristischen Expertisen darauf hin, dass dieser Gesetzesentwurf einer
verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht Stand halten wird . Dies wurde sogar jüngst durch den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages bestätigt. Dass die Bundesregierung trotzdem,
wider besseres Wissen, einen offenen Verfassungsbruch initiiert, ist aus Sicht einer Arbeitnehmerinteressenvertretung wie dem Konzernbetriebsrat der RHÖN-KLINIKUM AG schädlich, unverständlich und
unvernünftig.
Will die Bundesregierung tatsächlich Tarifautonomie und Flächentarifvertrag stärken, so wäre der richtige Weg nicht die
Einschränkung von Arbeitnehmerrechten sondern vielmehr eine Ein dämmung von Missbrauch auf Arbeitgeberseite. Tarifflucht, Lohndumping, die sogenannte OTMitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden,
Outsourcing, Leiharbeit und Werkverträge haben die Tarifeinheit in den vergangenen Jahren massiv untergraben und untergraben sie weiter. Dies sind die Methoden, die dazu führen, dass Beschäftigte
leiden und die Tarifautonomie mehr und mehr unterwandert wird. Nicht die Beschneidung kollektiver Arbeitnehmerechte führt hier zum beabsichtigten Ziel sondern vielmehr deren
Stärkung.
Wir fordern Sie daher auf,
stoppen Sie den verfassungswidrigen Angriff auf das Streikrecht und nehmen Sie den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit zurück!
Schützen sie die Arbeitnehmer/innen vor Tarifflucht, Lohndumping und Zersplitterung der Betriebe!
Mit freundlichen Grüßen
Björn Borgmann
Vorsitzender des Konzernbetriebsrates